Von blinden Passagieren und der nicht immer ganz so großen Freiheit

02.09.2023

Reisen mit dem Wohnmobil, noch dazu ohne große Planung, kann ganz schön strapaziös sein. Und so komme ich erst jetzt wieder dazu zu schreiben. Irgendwie ist man den ganzen Tag beschäftigt: fahren, einkaufen, planen, telefonieren, rangieren, kochen, aufräumen, waschen. Aber so langsam grooven wir uns ein. Wir drei sind ja schon seit Jahren ein eingespieltes Team und jeder weiß, wo er hinfassen muss (Felix auf jeden Fall ans Lenkrad).

Am Mittwoch sind wir mit der Fähre von Vancouver (Horseshoe Bay) Richtung Sunshine Coast (Langdale) zu unserem ersten Campingplatz gefahren. In Kanada gibt es zwei Arten von Campingplätzen: staatliche und private. Die staatlichen Campingplätze sind meist schöner gelegen und bieten mehr Platz. Allerdings ist die Ausstattung meist dürftig. Die privaten Plätze sind etwas teurer und die Wohnmobile stehen näher beieinander. Dafür gibt es zumindest Frischwasser und Strom. Oft auch Entsorgungsstationen und Waschmaschinen.

Unser Campingplatz lag im Porpoise Bay Park. Ein staatlicher Campingplatz direkt am Meer. Wegen des bevorstehenden langen Wochenendes ist leider gerade ganz Kanada unterwegs. Wir hatten Glück und bekamen den letzten Platz bzw. die letzten zwei Plätze. Da wir mit 9,10 Metern zu den ganz Großen gehören, mussten wir gleich einen Doppelplatz buchen.

Dort angekommen hieß es erst einmal: eingeparkt (easy), Flip Flops an und direkt mal den Strand und die Umgebung inspiziert. Mit dem Wohnmobil unterwegs sein, hat wirklich sehr viele Vorteile: Man hat alles dabei, ist autark, spart sich das Koffer ein-, ausräumen und -schleppen, es ist gemütlich, man ist unabhängiger und hat tendenziell mehr Spontaneität. Aber kurz mal am Straßenrand anhalten, weil man die Aussicht genießen möchte oder ein nettes Café entdeckt, ist nicht ohne weiteres möglich. Und der geplante Restaurantbesuch am Abend fiel auch flach, weil das nächste Restaurant fünf Kilometer entfernt war und wir keine Lust hatten, das riesige Schiff noch einmal zu bewegen. Aber wir haben hier alles, was man für ein Festmahl braucht: gut gekühlten Rosé, Pasta, Gemüse, Parmesan und eine XXL-Tüte M&Ms. Und das selbstgekocht und unter dem Sternenhimmel gegessen war es das beste Essen überhaupt.

Die erste Nacht war wunderbar. Ich habe so gut geschlafen. Es war stockdunkel und der Regen, der auf das Autodach prasselte, hatte etwas sehr Beruhigendes.

Gar nicht beruhigt war ich am nächsten Morgen beim Frühstück: „Warum sind die M&Ms in der Schublade verstreut?“ Diese Frage irritierte mich. War diese Packung gestern eigentlich noch original verschlossen. Kennt ihr das auch, wenn man so ein ganz komisches Gefühl im Bauch hat? Leider bestätigte sich der Verdacht, als wir uns auch die anderen Einkaufstüten ansahen. Über Nacht muss sich ein ungebetener Gast in Form eines Nagetiers den Weg von unten durch das Wohnmobil in die Schubladen gebahnt und sich an unseren M&Ms (Limited Edition!!!), Nudeln und der Nussmischung deluxe gütlich getan haben. Und um es ganz klar zu sagen: Das ist EKELHAFT!!! Und WIDERLICH!!! Und ich könnte k****!!!! Also, was tun? Caro rief erst einmal die 24-Stunden-Hotline an und machte sehr deutlich, was sie von diesem Vorfall „very, very disgusting“ und der wenig hilfsbereiten Frau am anderen Ende der Leitung „very dissapointing“ hielt. Nun gut, dann halt jetzt alles nach oben räumen und im nächsten Supermarkt eine Mausefalle kaufen. Das nenne ich mal leben (oder leiden) mit der Natur.

Unsere Suche nach einem Supermarkt und vor allem einem Getränkemarkt (nach so einem Schock) führte uns nach Pender Harbour. Ein nettes Städtchen. Stars Hollow lässt grüßen. Da dieses Städtchen leider nicht für Wohnmobile ausgelegt ist, musste Felix unser Wohnmobil an der Straße und im Halteverbot parken. Aber wir dachten uns, bis das Ding abgeschleppt ist, sind wir auch wieder zurück. Jetzt muss man einfach einmal loslassen.

Da wir uns die Suche nach geeigneten (und freien) Campingplätzen an der Sunshine Coast etwas einfacher vorgestellt hatten, war unsere erste Anlaufstelle erst einmal die Touristeninfo. Hier wurden wir mit vielen Tipps zu Plätzen, Orten und Restaurants versorgt. Und auch die Frau im Liquide Store hatte neben Empfehlungen für regionale Weine, Biere und Cider auch die eine oder andere Idee für Übernachtungsmöglichkeiten. Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit par excellence. Im Supermarkt fanden wir alles, was uns aufgrund der dürftigen Ausstattung des Campers leider noch fehlte: Bratpfanne, Schneidebrett, einen Stöpsel für das Waschbecken (keine Ahnung, wie man das richtig nennt) und natürlich die Mausefallen. Mittagessen gab es im örtlichen Burger-Treff.

Für die Übernachtung hatten wir nun einen Plan A (einen Campingplatz, den wir angeschrieben hatten) und einen Plan B (Wildcampen am See). Da sich der Campingplatz noch nicht zurück gemeldet hatte, sind wir mal los, um nach einem Plätzchen am Garden Lake zu suchen. Ich muss zugeben, dass ich mich in unserem Wohnmobil noch nicht so richtig wohl fühle. Die Straßen wurden immer schmaler und ich war fest davon überzeugt, dass wir irgendwann einfach irgendwo zwischen zwei Bäumen stecken bleiben und nicht mehr herauskommen würden. Jeder kennt diese Geschichte, wie ein LKW-Fahrer dank Google in einer Sackgasse landet oder unter einer Unterführung stecken bleibt. Ja, okay, vielleicht bin ich manchmal etwas dramatisch. Aber ganz utopisch ist es nicht.

Da uns Maddy (The General Manager) in einer sehr nett geschriebenen E-Mail mitteilte, dass gerade jemand für die Nacht abgesagt hatte, lenkten wir das Wohnmobil wieder auf die Straße und fuhren in Richtung Hotel Lake Campground. Ein wunderschöner, familiärer Campingplatz. Er liegt direkt am See. Das Suchen und Warten hatte sich definitiv gelohnt. Dort angekommen hieß es erst einmal: Bikini an und ab in den See. Genau so (!!) habe ich mir meinen Urlaub vorgestellt.

Da wir leider nur für eine Nacht einen Platz an diesem wunderschönen Fleckchen Erde bekommen hatten, fuhren wir am Freitag wieder mit der Fähre Richtung Powell River. Unser nächster Stopp war der Willingdon Beach Park Campground, den wir für drei Nächte gebucht hatten. Leider war auch hier schon fast alles ausgebucht, so dass nur noch der Platz in der Nähe des Highways frei war. Immerhin haben wir bei der Online-Buchung einen Kommentar hinterlassen mit der Bitte um einen ruhigen Platz. Kann ja nicht schaden. Und: Statt des gebuchten Platzes 11 bekamen wir Platz 23. Auf meine Nachfrage (es muss ja alles seine Ordnung haben) antwortete Tracy nur mit einem verwunderten Blick: You wanted a quiet place, didn’t you? Und so stehen wir nun auf einem ruhigen Platz mit Blick aufs Meer.

Eine Kajak- oder Paddeltour. Das wäre es jetzt. Was wir uns so einfach vorgestellt hatten, entpuppte sich als Tagesaufgabe. Denn: 1. wollen wir auf einem See paddeln und nicht im Meer, weil das schöner ist und 2. waren die Anbieter nicht erreichbar und 3. wollte uns keiner abholen und 4. brauchten wir auch noch ein Taxi. Caro hat sich einmal quer durch die Sunshine Coast telefoniert. Aber am Ende hat es sich mehr als gelohnt. Den Samstag verbrachten wir dann bei Sonnenschein und klarer Sicht auf die Berge beim Stand Up Paddling im Mowat Bay Park. Auf dem See war fast nichts los und so paddelten wir stundenlang umgeben von einem Panorama aus Bergen und Wäldern.

Da wurde erst einmal das RV-Handbuch gewälzt
Caro telefonierte sich einmal quer durch die Sunshine Coast

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