07.08.2023
Einmal auf den Grouse Mountain, den Hausberg von Vancouver, und die tolle Aussicht genießen. Das stand noch auf meiner Vancouver-Must-Do-Liste. Auf den 1.231 Meter hohen Berg kommt man entweder mit der Gondel oder zu Fuß über den GROUSE GRIND Trail. Als unsere Lehrerin am Freitag meinte, dass man für 2,5 Kilometer etwa 2,5 Stunden braucht, dachte ich: Challenge accepted. Das schaffe ich natürlich schneller, kann ja nicht so schwer sein.
Da man nicht bergab laufen darf, muss man für den Rückweg die Gondel nehmen. Also schnell am Freitag das Ticket gebucht. Etwas stutzig wurde ich, als ich das Online-Ticket las. In ziemlich dunkelroter Schrift standen da Dinge wie: Die Stadt Vancouver ist nicht verantwortlich für den Tod des Wanderers. Der Link zu einem Youtube-Video und weiteren – dringend zu lesenden – Hinweisen wurde gleich mitgeliefert. Hups. Naja, gebucht ist gebucht.
Heute bin ich zum ersten Mal mit dem SeaBus gefahren. Der SeaBus verbindet Downtown und North Vancouver und ist ein reguläres öffentliches Verkehrsmittel. Ein bisschen Urlaubsfeeling kommt schon auf, wenn man einsteigt. Man kann auch sehr gut zwischen Touristen (drängeln, als ob man keinen Platz mehr bekommt, fotografieren) und Einheimischen unterscheiden (ich lese mein Buch, während ich einsteige, ich lese mein Buch während der Fahrt und ich lese mein Buch, während ich aussteige, und das ohne auch nur einmal aufzublicken). Nach dem SeaBus musste ich noch einen Anschlussbus nehmen. Dieser war aber perfekt auf den SeaBus abgestimmt, so dass ich nicht warten musste.
Am Fuße des Berges angekommen, war sofort klar, wo der Trail beginnt. Leute dehnten sich, Kinder mit Schweißbändern und gezückter Stoppuhr warteten gespannt, manche schnürten noch schnell ihre Schuhe, Startfotos wurden geschossen. Der Grind ist eben ein Event. Also auch noch schnell ein Selfie gemacht und – ohne groß nachzudenken – losgelaufen. Was soll ich sagen: Es war die Hölle! Die Herausforderung war nicht der Weg, sondern die Stufen. Das waren keine kleinen Babytreppen. Das waren 2.830 riesige Riesenstufen. Und das waren keine fein geschliffenen Treppen, wie man sie zum Beispiel im Sparkassenturm findet. Nein, das waren teilweise einfach große Steinbrocken, die man da hochklettern musste.
Ab und zu wurde ich von Leuten überholt, die das regelmäßig als sportliches Training machen. Aber die meisten waren zum ersten Mal auf dem Trail. Jung und alt, groß und klein, Mann und Frau und alle Nationalitäten dieser Welt waren versammelt und eines hatten wir alle gemeinsam. Jeder und jede hat geschnauft, gestöhnt und gejammert.
Als ich dann plötzlich vor einem Schild stand, auf dem stand, dass ich jetzt ein Viertel des Weges geschafft habe und es ab jetzt noch schwieriger wird, bin ich fast vom Glauben abgefallen. Ich habe dort wirklich verzweifelte Menschen gesehen. Es wurden Familienversammlungen abgehalten, ob man nicht doch umkehren sollte (hier war die letzte Möglichkeit) und Männer redeten mit liebevollen und eindringlichen Worten auf ihre Frauen ein, um sie zum Weiterlaufen zu überreden.
Nach 1:22 h war ich am Ziel und: blickte auf eine graue Wolkendecke. ☹ Aber was soll’s – eine Erfahrung war es wert. Ich kann wirklich mit absoluter Sicherheit sagen: Das war eine der anstrengendsten Wanderungen meines Lebens. Ich hatte 82 Minuten lang einen Durchschnittspuls von 145 Schlägen pro Minute und habe mich wirklich 82 Minuten lang gefragt, was mich da geritten hat. Aber jetzt bin ich schon ein bisschen stolz auf mich. Natürlich würde ich in der Öffentlichkeit nie zugeben, dass es so anstrengend war. Ich will ja nicht, dass meine Mitmenschen das Bild einer wirklich außergewöhnlich sportlichen Frau von knapp über 40 Jahren verlieren.
Trail Facts:
Strecke: 2,5 km
Anzahl Stufen: 2.830
Höhenmeter: 800
Durchschnittszeit: 2 – 2,5 h
Rekord: 22 Minuten
Hinweis: Der aufmerksame Leser fragt sich vielleicht, warum ich mir am Montag eine solche Tour leisten kann und nicht in die Schule muss. Heute ist BC Day, also Feiertag.
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