Die Täler der Highlands

Dienstag, 03.09.2024

4. Etappe Inverarnan – Tymdrum

20,66 km – 552 HM

Obwohl mein Zimmer direkt an der Hauptstraße lag und ich mit dem Wissen eingeschlafen war, dass mich der Friedhof der Kuscheltiere die ganze Nacht beobachten würde, hatte ich gut geschlafen. Das Frühstück nahm ich unter den prüfenden Blicken der Vermieter ein. Leider war ich der einzige Gast. Da ich am Vorabend so schlecht gelaunt gewesen war, hatte ich fast den ganzen Bestellzettel angekreuzt, und jetzt war ich schon nach dem Porridge pappsatt. Diskret packte ich also meinen Eiertoast in eine Serviette, die ich später in den nächsten Mülleimer werfen wollte. Zu allem Überfluss hatte ich auch noch einen Kaffeefleck auf der Tischdecke hinterlassen.

Die Besitzerin hatte meine gesamte Kleidung gewaschen und mir trocken (aber leider nach Zigarettenrauch riechend) in die Hand gedrückt. Ich hoffte inständig, dass der eingewaschene Gore-Tex-Schutz noch einigermaßen intakt war.

Der Besitzer schaute mich entsetzt an, als ich ihm erzählte, dass ich meinen Schuh mit Sekundenkleber behandelt hatte. Er fragte mich direkt, ob ich denn auch wirklich auf seinen Teppich aufgepasst hätte. Dreimal musste ich an diesem Morgen meinen Rucksack ein- und auspacken. Und das unter Zeitdruck, denn um 9.30 Uhr (unterstrichen) musste ich das Zimmer geräumt haben.

Als ich endlich fertig gepackt hatte, wollten die beiden noch, dass ich mich ins Gästebuch eintrage. Was schreibt man da rein, wenn man eigentlich so schnell wie möglich flüchten möchte? Ich entschied mich für ein neutrales „Thank you and wish you all the best“ und verließ fluchtartig das Haus.

Der Wanderführer schreibt zu der heutigen Etappe:
Die Wanderung verläuft zum größten Teil auf gut zu begehenden ehemaligen Militärstraßen. Laut Reiseführer gehört gleich der erste Teil dieses Abschnitts zu den schönsten Teilen des West Highland Ways. Besonders nach Regenfällen, wenn der River Falloch viel Wasser führt (Anm.: das tat er!) bahnt er sich tosend über viele kleine Wasserfälle und Kaskaden seinen Weg in den Loch Lomond. Der Wanderweg führt meist dich am Ufer des Flusses entlang, so dass man von seiner gewaltigen Kraft beeindruck wird.

Und ich wurde nicht enttäuscht. Ich war jetzt am Loch Lomond vorbei, und schon war alles wieder ein bisschen anders. Zum ersten Mal kam echtes Highland-Feeling auf. Der Weg führte heute stetig bergauf, abwechselnd durch offenes Gelände und Laubwälder aus Birken, Erlen und Eichen. Noch war es trocken. Nach dem gestrigen Tag hatte ich überhaupt keine Lust mehr auf Regen. Gestern hatte ich zu allem Überfluss vergessen, meine Bauchgurte zu entleeren und fand darin nun allerlei aufgeweichtes Zeug.

Heute wurde ich immer wieder mit schöner Aussicht belohnt und blieb regelmäßig stehen, um die Aussicht auf eindrucksvolle Wasserfälle, die Berge um Crianlarich oder die unglaubliche Weite zu genießen. Außerdem war ich heute über weite Strecken alleine unterwegs. SO hatte ich mir das vorgestellt.

Die Wettervorhersage in Schottland dient übrigens nur dazu, die Menschen vor Depressionen zu bewahren. Jeden Tag heißt es: Ab morgen wird das Wetter besser! Nur um am nächsten Morgen wieder Regen für den Tag zu verkünden.

Da ich sehr früh aufgebrochen bin und eine gut zu bewältigende Strecke hatte, kam ich sehr früh (und sogar mit etwas Sonnenschein) in Tyndrum an. Gott sei Dank durfte ich auch gleich in mein Zimmer. Etwas irritiert war ich allerdings, als mich der Vermieter zu einer Garage brachte. Aber das war nur die Gepäckaufbewahrung für die Leute, die ihr Gepäck transportieren lassen. Und das sind eigentlich fast alle Wanderer, die nicht campen. Er war etwas irritiert, als ich ihm sagte, dass ich zu den ganz wenigen gehöre, die wirklich alles auf dem Rücken tragen.

Mein Zimmer war leider etwas gewöhnungsbedürftig. Die Dusche war direkt im Zimmer und meine Toilette am anderen Ende des Gebäudes. Dafür gab es einen kleinen Heizkörper, so dass ich meine nassen Schuhe trocknen konnte. Schnell geduscht und ab in die kleine Stadt. Hier gab es endlich wieder einen Supermarkt und vor allem einen super ausgestatteten Outdoorladen. Hier kaufte ich gleich Wachs für meine Schuhe und im Supermarkt alles, was ich noch nicht kannte. Ich setzte mich in einen kleinen Imbiss, aß Gemüse mit Pommes, trank eine kalte Cola Zero und ließ den Tag noch einmal Revue passieren. 

Da ich keine Lust mehr hatte, mich wieder zu bewegen, verbrachte ich den Rest des Abends auf meinem Sofa, sah meinen Schuhen beim Trocknen zu und schaute Filme und Serien. Und das ganz ohne schlechtes Gewissen.

Niedlich oder creepy?

Mal wieder ein bisschen Challenge
Pause im Aufforstungsgebiet

Die Brücke beim Tal des River Fillan


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